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Itxaro Borda

    (1959)

 

Borda wurde in Oragarre in Nafarroa Behera im nördlichen, zu Frankreich zählenden Baskenland geboren. Sie studierte Geschichte und war mehrere Jahre im Bildungsbereich tätig. Nachdem sie für Presse und Radio tätig war, ging sie nach Paris und fand eine Beschäftigung bei der Post. Nach ihrer Rückkehr nach Euskal Herrira leistete sie eine großartige Arbeit zur Förderung des von den französische Behörden negierten und übergangenen Euskaras (baskische Sprache), insbesondere im Bildungsbereich. Sie schreibt sowohl Poesie als auch Romane und veröffentlicht regelmäßig Artikel in der Presse. In einem folklorisierten und konformistischen Nordbaskenland stellten die Worte Itxaro Bordas, sowohl was ihren Stil als auch ihre Themen angeht, eine bahnbrechende Neuerung dar. Aber ihre Literatur ist weit mehr als ein kritisches Zeugnis, und so wurde diese Autorin zu einer der wichtigsten Schriftstellerinnen unserer Zeit.       

 

HEUTE TRÄUME ICH EISIGES SCHWEIGEN...

        Itxaro Borda , 1986

 

 

heute träume ich eisiges schweigen:

            das wendige molekül aus dicken grünen adern

        durchpflügt nacht für nacht

            urplötzlich meine tiefe erschöpfung, erfüllt von redlicher hoffnung und tatkraft

eisiges schweigen

            ich bin auf dem bauernhof wie eine erleuchtete kapelle aus dem mittelalter

            zwischen dem gras, das aus mangel an wasser langsam vertrocknet

        und lese billige krimis oder höre Leonard Cohens

            songs from a room.

ich bin oft wütend, doch ich weiß nicht warum.

heute träume ich eisiges schweigen

            kann im abendlichen schwarzen delirium die geröteten augen

            der raubtiere erahnen auf den windigen gipfeln, wie sie sich öffnen,

            zerfallen und zu staub werden.

eisige stille oder stummer blues des nichts:

            den schlaf, den schlaf der normalen menschen, der rechtschaffenen,

            suche ich vergebens und während ich rauche

        und rauche wird mir die nacht zum helllichten tag.

            ich sehe die farbenprächtigen regenbogen des dunkels

            aus dem kampf des regens und des mondes erwachsen,

            aber niemand glaubt mir oder sie sagen, ich sei verrückt,

            wenn ich die quakende symphonie der frösche

            als material für zukünftige poesie auf abgenutzte kassetten aufnehme.

stummer blues des nichts

            ich produziere nicht genug adrenalin, um auf die nach altbekannter strategie

            angreifende unerschütterliche armee des schweigenden konformismus

        mit schlägen zu antworten,

heute träume ich eisiges schweigen

eisiges schweigen oder kind vor dem chaos:

            im lärmenden flipper des lebens bin ich mehr als ungeschickt,

            unzählige runden hab ich gezahlt, doch ich erreichte immer nur

            einen niedrigen score: ich bin verzweifelt und verfluche

            die flipper zutiefst.

stummer blues des nichts

            später dachte ich, in meinem fall sei es das beste

            in sinnloses weinen auszubrechen: trotz aller versuche

            nicht eine miserable träne. vielleicht bin ich verhärteter

            als mit sechzehn.

        damals zumindest

            war ich romantisch, jetzt bin ich nichts.

eisiges schweigen

            über den wolken in den weiten, tanzen ängste, hemmungen,

          scham im flug wie hungrige adler.

          möge es schneien in der wüste Ténéré...

kind vor dem chaos

            von innen heraus möchte ich das menschliche sein auflösen

            in den schoß der mythologischen mütter zurückkehren, weiter zurück noch

            in längst vergangenen zeiten, um in jener unbeholfenen stille

        die für das leben entscheidenden komplexen mechanismen

            zu finden, die ich verstehen kann.

eisiges schweigen

            die freunde aus der nachbarschaft organisieren ein großes abendessen

            um die illusionen in fetter soße zu verspeisen und ich

            ich würge die letzte lauchsuppe der verdammten hinunter

          um die reste der grausamen erbärmlichkeit wegzuspülen.

stummer blues des nichts

            das kosmische chaos ist meine welt. möge das fleisch zu worten

            werden um dieser zweitausendjährigen befremdlichkeit so ein ende zusetzen.

 

 

Übersetzung: Gabriele Schwab

 

© Itxaro Borda    

© Übersetzung: Gabriele Schwab    

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