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Xabier Lizardi
(1896-1933)
Trotz seines frühzeitigen Tods hinterließ dieser Dichter ein bedeutendes Werk als Prosaist und treibende Kraft der lyrischen Poesie. Besondere Bedeutung kommen in seiner Dichtung Details aus der Natur zu, in denen sich der Gemütszustand des Dichters widerspiegelt. Seine Poesie ist das Werk eines Goldschmieds der Sprache, der stets konzisen Ausdruck und eine präzise und detailliert beschreibende Linienführung sucht. Auch wenn die erste Annäherung schwierig erscheinen mag, macht man in seiner Poesie doch immer wieder großartige Entdeckungen. Von vielen nachgeahmt, jedoch niemals erreicht, ebnete Lizardi den Weg für das, was später die Erneuerung der Metapher sein sollte.
DES JAHRES LAUF IN MEINEN AUGEN
Xabier Lizardi , 1930
IV
LETZTE ABENDRÖTE
Novembers erster Hauch
Des Sommers feuriges Meer habe ich durchfahren,
im Schiff eines kühlen Schattens,
das mich jetzt sanft auf Grund laufen lässt;
es ist ein Strand, einsam und rot.
(Weit entfernt am Horizont,
am Ende der Straße aus glühendem Gold,
gibt es ein Meeresgestade — reines Blut im Abendlicht —,
an dem die Sonne genüßlich versinkt...)
In der Dämmerung werfe ich den Anker aus:
Ich habe den ersten Schritt in den Herbst getan...
* * *
Erneut steige ich auf meine Berge,
geliebten Erinnerungen entgegen...
Mutter Erde hat ihre Früchte hervorgebracht,
blass ist ihr Gesicht, müde ihre Augen.
Am Rande des wenig benutzten Fahrwegs
sieht man noch träge das Efeu blühen.
Hie und da, auf schon welken Blumen,
Schmetterlinge, den Nektar saugen...
Rote Falter, mit zerknitterten Flügeln:
wie die, die ohne Liebe altern.
Kraftlos gehe ich und müde,
ist es, weil ich älter werde?...
Der Herbst lässt mich schwerer atmen,
verräterischer das Geräusch meiner Schritte im Laub,
der Weg hinauf macht mir das Herz beklommen...
Ich lege mich nieder, erschöpfter als früher.
* * *
Vor mir ein tiefer Abgrund. Der Hang
ist bedeckt mit Sträuchern und Farn:
Einst grün, beginnt sich der Wald jetzt zu färben;
vereinzelt rote Flecken auf dem Farn.
Ein andrer Gipfel, einst in kühler Frische,
gleicht heute einer Eisenmine.
Ist die Haut der Erde mit Rost bedeckt,
oder ist mein Blick blutgetrübt?...
Es weht ein feuchter Wind, unbeirrbar:
Er entlockt der Erde ein Klagen.
Das Summen der Insekten der Wiesen
ist nirgends zu hören. Lange schon
ist die Grille, die Dichterin, verstummt,
nun auch die herrlich müßige Zikade.
Und wohin fliegt ihr in Schwärmen, ihr Vöglein?
Welch' Eile fortzukommen.
Ist eure die Freundin, die Nachtigall, gestorben
und ihr fürchtet
— zitternde Flügel —
zu spät zu ihrem Begräbnis zu kommen?
* * *
Oh, welch Traurigkeit,
dieser unerbittliche Verfall!
Ich wünschte, dem Tag würde
niemals die Nacht folgen!
Wenn das Licht der Jahreszeiten erlischt,
hallt das Echo der Vergangenheit in meiner Seele.
Ihr drei Jahreszeiten, ich rufe euch zurück:
Bringt mir eine jede euren Schatz:
die eine die Hoffnung, die andre die Auferstehung;
die dritte die reine Lebenskraft.
Euch alle braucht mein Herz,
denn die Stimmen meiner alten Verse
erwecken in mir Sehnsucht nach dem Vergangenen.
(Winter)
Lass mich, oh Herr, eins ums andre Mal,
den unruhigen Heideginster blühen sehen...
(Frühling)
Lass mich den Blütenschnee der jungen Apfelbäume erblicken,
die Wiege des Frühlings,
jene Kleefelder,
in ihren Händen Krüge voller Wein.
Lass mich den vergessenen Dichter hören,
in seinem Schloss aus Erde, inmitten der Wiese...
(Sommer)
Bevor ich des Herren Gipfel erreiche
(wie herrlich ist das Leben!),
lass mich über das ruhelose, goldene Meer segeln,
der Schatten sei mein schlanker Begleiter.
* * *
(Herbst)
Und mach, oh Herr,
dass ich eines Morgens im frühen Herbst
in Dir erwache!
Übersetzung: Gabriele Schwab
Originalversion: URTE-GIROAK ENE BEGIAN
© Xabier Lizardi
© Übersetzung: Gabriele Schwab