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EIN KLEINES ALMOSEN
      (1893)

IN DER AMERIKANISCHEN PAMPA
      (1900)

DIE SIEBEN VEREINT1
      (1900)

 

Pedro Mari Otaño

    (1857-1910)

 

Pedro Mari Otaño, der in einer Familie von Bertsolaris, 1 geboren wurde, gelang es, sich mit seinen Versen, sowohl wegen ihrer Qualität als auch wegen der ihn interessierenden Inhalte, über die rein populären Reime hinaus zu bewegen. Da er aufgrund seiner schlechten Stimme wenig für den Gesang geeignet war, trat er selten in der Öffentlichkeit auf. Vielleicht sind seine Verse gerade deshalb nachdenklicher, gelassener und unstreitbar von gutem Geschmack. Zu Lebzeiten galt er als größter Bertsolari. Sein zweiter Aufbruch nach Amerika, wo er sterben sollte, wurde zu einer nationalen Abschiedsfeier zu seinen Ehren. Pedro Mari Otaño ist eine der größten Persönlichkeiten des Bertsolarismus.

 

1 Für das Baskenland typische Sänger/Dichter, die ihre Verse zu einem bestimmten Thema improvisieren und in einer Art Streitgespräch zwischen verschiedenen Bertsolaris vortragen.

 

ZAUNKÖNIG

        Pedro Mari Otaño , 1894

 

 

Wie oft sagten uns nicht gelehrte und weise Männer,

dass die Tiere uns ein Vorbild sein könnten:

die Biene ist eine, die sie nennen, welch unglaubliche Arbeit

erbringen sie vor unseren Augen, sie und die Ameise!

Der Zaunkönig wiederum lehrt uns nicht weniger als diese beiden.

 

Er ist der kleinste der Vögel auf baskischem Boden,

ganz und gar kastanienfarben ist er und, wenn man so will, nicht schön;

helle Augen, eingezogener Kopf, den Schnabel starr nach vorn gerichtet,

kleiner Körper, kurze Beine, hüpfend bewegt er sich vorwärts,

hektischer Flieger und linkischer Sänger.

 

Ein Zweiglein schon könnte ihn tragen, denn er wiegt kaum,

aber er liebt es, sich auf einen starken Ast zu setzen;

selbst wenn er fallen würde, wäre er nicht verloren, denn er kann fliegen,

aber selbst wenn er sich auf einem eisernen Gerüst befindet,

trippelt er erst drei, vier Mal umher, ob er dort auch sicher ist.

 

Das erste Nest im Frühling ist das des Zaunkönigs,

und man erkennt es gleich: es ist aus Moos;

sein Lieblingsplatz ist zwischen dem Efeu des Baumstamms,

und viele, die ihn dort so zum Greifen nah sehen, sagen:

«Wie vertrauensselig er doch ist,  dieser listige Vogel!»

 

Man könnte fast sagen, wenn man ihn so betrachtet,

er schenke den Gefahren, die dort lauern könnten, keine Beachtung;

doch ungesehen hat er ein weitres Loch gegraben hinten am Nest,

um dort hinauszuschlüpfen, nachdem er das vordere zugestopft,

und lehrt uns so, schon beim Hineingehen zu überlegen, wie wir wieder hinauskommen.

 

 

 

 

Übersetzung: Gabriele Schwab

Originalversion: TXEPETXA

 

© Pedro Mari Otaño    

© Übersetzung: Gabriele Schwab    

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