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Orixe
(1888-1961)
Orixe hatte starken Einfluss auf die jungen Autoren des beginnenden 20. Jahrhunderts, zuerst als Lehrer an dem Priesterseminar der Jesuiten und später als Kritiker und Dichter, dem mehrere Generationen höchste Achtung entgegenbrachten. Einen Beitrag dazu leistete auch seine enzyklopädische Kenntnis der Sprache. Paradoxerweise ist das Werk Euskaldunak (Die Basken), das jahrelang von vielen als Summa seiner Dichtung und unbestreitbares Modell des baskischen Stils betrachtet wurde, nicht mehr als ein Werk der Hirtendichtung auf der Suche nach einem «nationalen Gedicht», wie es die Theoretiker der 30er Jahre forderten. Im Exil in Amerika gelang es Orixe eine persönliche Poesie zu entwickeln, die wesentlich mystische Züge trägt, aber stark mit der Erde und dem Körper verwurzelt ist.
FLIEGEN
Orixe , 1950
Nicht zitternd vor Angst, aber doch
so, als ob sich die Haut unter der Brust
in der Magengegend zusammenzieht,
steige ich ins Flugzeug. Wir heben ab
— bedeckter Himmel über uns — und beginnen zu steigen.
David kommt mir in den Sinn: «Herr, im Schatten
Deiner Flügel kann ich jubeln.»
Dabei hole ich tief Luft und atme kräftig aus,
um diese verkrampfte Brust endlich zu beruhigen.
Keiner stimmt «Wenn ich eine Taube wäre»1 an.
Schweigend, mit niedergeschlagenem Blick, den Kopf gesenkt,
einige der Damen und Herren gleichen feilgebotenen Lämmern,
ruhelos, von Höhenangst erfasst.
Ein Kind: es läuft hin und her, vergnügt sich,
als wäre es auf der Erde; mit ihm lenke ich mich ab.
Da kommt noch eins, lässt seine schläfrige Mutter zurück.
Und schon hat jenes kleine Geschöpf einen Freund.
Ihr Wohlbefinden hat nicht gelitten; keine Sorge,
kein Ungemach belastet sie.
Ihr Anblick lenkt mich von der Reise ab,
auch wenn ich ab und zu verstohlen Richtung Erde blicke.
Über den Wolken erreichen wir klaren Himmel.
Die Sonne hat hier nicht die Flamme, die sie auf der Erde hat.
An was erinnert einen dieser durchgewetzte Wolkenteppich
zu unseren Füßen? — An verdorrtes Grasland.
Zu meiner Linken ein junger Mann, ziemlich kräftig, wie mir scheint,
er öffnet den Mund, bekommt keine Luft.
Wie ein Vogel in brütender Hitze.
Wie ruhig atmen doch die Kinder und ich!
In Amerika gibt es wahrhaft weite, dichte Wälder.
Wozu existiert Larraun?2 Dort unten springen,
während wir einen Tag lang fliegen, ohne den Erdboden zu berühren,
tausende Affen in ihren Herden von Zweig zu Zweig.
Nachdem wir Flüsse, mächtige Berge, Meere und Seen
gesehen haben, setzen wir zur Landung an.
Das Flugzeug wiegt sich im Schoße des Windes...
und ich... die Brust entspannt, gleite zusammen mit den Kindern zur Erde.
1 «Uso banintza». Baskisches Volkslied.
2 Tal mit kleinen Ortschaften, in dem der Dichter geboren wurde.
Übersetzung: Gabriele Schwab
Originalversion: EGAN
© Orixe
© Übersetzung: Gabriele Schwab