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Das Leben von Mirande, einem großen Sprachtalent und Sohn von Emigranten aus Zuberoa, der kleinsten und bergigsten Provinz des Baskenlandes, ist durch Unzufriedenheit gekennzeichnet. Als Poet und Intellektueller arbeitete er als Übersetzer im Finanzministerium; als Baske aus Tradition und Bestimmung, lebte er in der Hauptstadt eines Staates, der seine Nationalität nicht anerkannte; elitär und heterodox wurde er von seinen baskischen Zeitgenossen heftig kritisiert... Seine Poesie ist eine Mischung aus formaler Tradition und thematischer Modernität, in der sich Kritik, Erotismus und ein eher mythischer als politischer Irredentismus vereinen.
VOGELGLÜCK
Jon Mirande , 1961
Einmal, als ich zu viel
Des guten, baskischen
Weins getrunken
Und schwer ums Herz mir war,
Hörte ich im Wald
Den baskischen Gimpel singen.
Auf der Spitze eines Astes
Einer starken, hohen Kiefer
Saß er und dorthin
Lenkte ich meine Schritte,
Um aus der Nähe dem Lied
Des baskischen Gimpels zu lauschen.
Er sang auf Baskisch
Seinen zwitschernden Vers,
Ein Lob auf die Alten Gesetze1
Und Gott, rechtschaffen
War der baskische Gimpel,
Der dort auf der Kiefer saß und sang...
Ich sprach zu ihm: «Mit Mühen nur
Versteh ich deine Sprache,
So reich und kultiviert,
Tiefgründig und erlesen wie sie ist.
Doch hast du eine herrliche Stimme,
Ehrwürdiger baskischer Gimpel!
«Vöglein, es ist Nacht und
Dunkel ist der Wald,
Hast du denn keine Angst?
Wenn nun gar der Wolf kommt?»
—«Außer seinem Herren fürchtet er
Nichts, der baskische Gimpel.»
Ich sprach zu ihm: «Wer ist denn
Dein Herr, mein Gimpel?»
Und er: «Eine baskische Dame
—Nicht hässlich und nicht alt—
Wunderschön und jung. Ihr Name ist
Eusko-Scholastika.»
Ich sprach zu ihm: «Mein Herz
Ist mutlos und betrübt...
Wenn doch dein Lied
Es wieder aufheitern könnte!
Mit Küssen möchte ich dich bedecken,
Komm, baskischer Gimpel.»
Ich drückte es an mich,
Das arme, schöne Vöglein,
Gab ihm auf die Flügel
Einen heißen, zärtlichen Kuss
Und meine Freudentränen
Benetzten den Gimpel.
Ich sprach zu ihm: «Dein
Lieblich Lied zu hören
Harren meine Landsleute,
Neben einer andren Kiefer,
Drum flieg jetzt schnell
Dorthin, baskischer Gimpel!»
Und er flog von Kiefer zu Kiefer
Den ganzen Wald erfreuend
Schwang er sich gen Himmel
Baskischer Kiefernwald.....
Und von jeder Kiefer
Sang der Gimpel.
1 Das Alte Gesetz -oder wie man in spanischer Sprache sagt, die Fueros- war die Verfassung der einzelnen baskischen Territorien. Diese Normen basierte auf alten, schriftlich nicht festgehaltenen Gewohnheitsrechten, bis der spanische und der französische Staat begannen, die baskische Souveränität anzugreifen. Ab diesem Zeitpunkt wurden sie schriftlich festgehalten (14. bzw. 16. Jahrhundert) und nahmen den Charakter eines Gesetzeswerkes an. Sämtliche französischen und spanischen Könige achteten diese Gesetze, bis sie im Nordbaskenland (Ipar Euskal Herria) von der Französischen Revolution abgeschafft wurden und die letzte Niederlage der Karlisten im Jahr 1876 das Ende der letzten Reste dieser Freiheitsrechte im Südbaskenland (Hego Euskal Herria) zur Folge hatte.
Übersetzung: Gabriele Schwab
Originalversion: TXORIONTASUN
© Jon Mirande
© Übersetzung: Gabriele Schwab