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Arantxa Urretabizkaia
(1947)
Urretabizkaia ist heute als Autorin von Artikeln und Romanen bekannt, ihr poetisches Werk beschränkt sich auf ein kleines Buch, das vor langer Zeit veröffentlicht wurde, sowie auf eine Reihe noch älterer Gedichte in einem Sammelband verschiedener Autoren. Trotzdem hat jene Welt, intim, voller Einsamkeit, Nostalgie, Obsessionen, die in den siebziger Jahren gegen den Strom schwamm, die Zeit überdauert und besteht in der Erinnerung der baskischen Poesie fort. Ihre Stimme erreicht uns selbst in der Anklage ohne schrillen Ton, sie stützt sich auf kleine Details, die eine eigenwillige bekundende Kraft haben. Seit ihrer Jugend ist sie journalistisch tätig.
MEMORIAL
Arantxa Urretabizkaia , 1982
Was soll ich tun
wenn an einem helllichten sommernachmittag
die sonne mein fenster fürchtet
und du bist nicht hier?
wenn mich der sommer unverhofft
mitten im winter überrascht
wenn die blätter plötzlich schweigen
während vier glockenschläge ertönen
drei beißende tropfen
und ein sanfter
über dem toten wind
wohin soll ich gehen
wenn ich dich auf der strasse nicht finden kann
solange die dinge nicht so schlecht stehen
ein karger sanfter tropfen
um die hastigen schritte der alten frauen zu beschleunigen
wie kann ich wissen ob die bäume leben
wenn sie keinen laut von sich geben
wenn sie nicht in der lage sind
den lärm der sirenen zum schweigen zu bringen
wer sagt mir was mir geschieht
wenn die erste träne noch nicht geflossen ist
wessen hand wird die glocken läuten
die verborgen sind
unter meinen Augenlidern
wohin soll ich mich flüchten
wenn deine arme weit weg sind
wo entsteht elektrizität
wenn der sommer es nicht zulässt
drei dumme glockenschläge
und ein vierter
wessen atem soll die äste beleben
wenn auch ich sommer geworden bin
was soll ich tun
wenn der schale schweiß sommerlicher düfte
mich auf seine seite zieht
wenn der august die wasser erstickt
die tränen hätten werden sollen
wer versichert mir
dass ich niemals
einen hut aus stoffblumen tragen werde
vier monotone glockenschläge
und ein weicher
was tue ich nur
wenn ich nicht gelernt habe
über den warmen nebeln zu tanzen
wenn das rot der wangen heller leuchtet als die augen
wenn ich nicht weiß was du willst
wärme oder winter
wenn rund um deine haut
die straßen eher explodieren als das herz
wer befreit mich aus mir selbst
wenn von dir kein zeichen kommt
nur wände
über den dächern
wozu ist der tag verstummt
wenn deine stimme nicht zu hören ist
und wieder
spüre ich
die finger die mein gesicht kräuseln
von der nase zum kinn
von den augen zu den wangen
den weg öffnen
auf der straße weht kein lüftchen
auch nicht der sanfte nordwind der deine unbeholfenen schritte zu mir trägt
wozu mich an dieses kribbeln um die taille erinnern
wenn du nicht da bist
tag oder nacht über deinem namen
wie soll ich den rauch der hölle schlucken
wenn ich den frischen atem deines schlafs vergessen habe
wenn der sommer mich für immer zu sich geholt hat
wenn selbst der rauch der zigarette
keine kraft hat aufzusteigen
wer füllt die leere meines körpers
wenn selbst die hupen verstummt sind
wer tanzt
mit mir
wenn der sommer heute jedenfalls
bewirkt hat dass ich mich töte
für wen soll ich lügen erfinden
wenn selbst der himmel weiß wird
und ich auf den herbst warten muss
fünf bedächtige glockenschläge
und der sechste brodelt
wo der asphalt zerplatzt
was tue ich nur
wenn die pflanzen am fenster
meinen befehlen nicht gehorchen
wenn mich von allen seiten wärme umgibt
wenn selbst meine hände
mit dem sommer sind
sechs taube glockenschläge
der siebte mit schmerz
wenn selbst die sterne
so grausam sind wie der tag
wenn selbst die abenddämmerung
keine kraft hat die blätter zu streicheln
was tue ich nur
während ich
sieben dumpfe glockenschläge höre
und einen achten gellend.
Übersetzung: Gabriele Schwab
Originalversion: MEMORIAL
© Arantxa Urretabizkaia
© Übersetzung: Gabriele Schwab